Teilchen oder Welle – Das ist hier die Frage!
Das Doppelspaltexperiment
Das Zusammenbringen des Wellenbilds mit dem Teilchen- oder auch Korpuskularbild in der Quantenmechanik liefert eine bisher ungewohnte Betrachtungsweise. Das Wellenbild erlaubt die Berechnung, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich ein Teilchen wo und mit welchem Impuls aufhält. Was man sich darunter vorstellen kann, zeigt eindrucksvoll das berühmte Doppelspaltexperiment, welches in verschiedensten Versionen schon tausendfach durchgeführt worden ist.
Analog zum Youngschen Doppelspaltexperiment werden nun statt Lichtstrahlen bzw. Photonen, Elektronen bzw. Strahlen von Millionen von Elektronen auf einen Doppelspalt geschossen. Wichtig hierbei ist, dass der Abstand der beiden Schlitze des Doppelspalts in der Größenordnung der zu erwartenden de Broglie-Wellenlänge der Elektronen liegt. Ein Elektron mit einer kinetischen Energie von 0.8 MeV hat eine de Broglie-Wellenlänge von etwa 10-12 m. Diese Distanz ist etwa tausendmal größer als der klassisch zu erwartende Elektronenradius.
Hat man also einen Doppelspalt, dessen Schlitze z. B. 10-12 m voneinander entfernt sind, wobei jeder Schlitz z. B. 10-14 m breit ist, müssten, klassisch betrachtet, die Elektronen problemlos durch die Schlitze fliegen können.
Auf einem Schirm hinter dem Doppelspalt wĂĽrden klassisch also nur an den Orten Elektronen auftreffen, die in gerader Linie hinter den Schlitzen liegen.
Tatsächlich treffen die Elektronen aber an den verschiedensten Orten auf dem Schirm auf. Diese Orte liegen dort, wo beim Doppelspaltexperiment mit Lichtstrahlen die Maxima des Interferenzmusters liegen. Mit der Formelsprache des Wellenbilds ist die Berechnung dieser Maxima möglich, was im Korpuskularbild bedeutet, dass man die Wahrscheinlichkeit berechnen kann, mit welcher ein Elektron innerhalb eines bestimmten Bereichs auf dem Schirm auftrifft.
Je heller im Wellenbild die Interferenzmaxima sind, desto höher ist im Korpuskularbild die Wahrscheinlichkeit, dort auf dem Schirm ein Elektron, welches zuvor durch den Doppelspalt geflogen ist, zu messen. Nun stellt sich sofort die Frage: Wie fliegt ein Elektron durch den Doppelspalt?
Klassisch betrachtet fliegt ein Elektron entweder durch den einen oder durch den anderen Schlitz des Doppelspalts. Ein Interferenzmuster kann aber nur entstehen, wenn sich hinter dem Doppelspalt zwei Wellen der gleichen Frequenz und Wellenlänge überlagern.
Experimentell kann ein Elektronenstrahl nur so erzeugt werden, dass die Elektronenenergien immer leichten Schwankungen unterworfen sind.
Zwei Elektronen mit genau gleicher Energie – und daher im Wellenbild mit genau gleicher Frequenz und Wellenlänge – zu erzeugen, die zudem noch gleichzeitig – eines in den einen Schlitz und das andere in den anderen Schlitz des Doppelspalts – einfliegen, ist daher ausgeschlossen.
Im Übrigen könnte man den Elektronenstrahl so weit ausdünnen, dass z. B. pro Sekunde nur ein Elektron auf den Doppelspalt trifft und man trotzdem z. B. nach 2 Tagen 172800 Elektronen auf dem Schirm registriert hat, deren Orte so verteilt sind, dass das Interferenzmuster sichtbar wird.
Eine erste Lösung dieses Rätsels gibt das Wellenbild.
Die Wellenlänge eines Elektrons ist so groß, oder das Wellenpaket des Elektrons ist so breit, dass das Elektron als Wellenpaket beide Schlitze des Doppelspalts gleichzeitig „sehen“ kann. Somit kann, zumindest im Wellenbild, die Voraussetzung geschaffen werden, dass ein Interferenzmuster entsteht. Diese Vorstellung ist mit dem Teilchenbild aber nicht anschaulich in Verbindung zu bringen. Überlegungen wie etwa „Das Elektron interferiert mit sich selbst.“ leiten nur weiter in die Irre. Das Wellenbild liefert also nur eine abstrakte Möglichkeit, das Verhalten von Teilchen im Bereich dieser winzigen Größenordnungen zu beschreiben.