Einstein hatte doch recht – Neutrinos nicht schneller als Licht
Ende Februar, am 23.02.2012, präsentierte dann die OPERA-Kollaboration selbst zwei mögliche Effekte, die nach allen bisherigen Erkenntnissen die Messung der Flugzeit der Neutrinos verfälscht hatten.: Der eine betraf eine defekte Glasfaserverbindung, die das GPS-Signal zum unterirdischen OPERA-Experiment und damit zum Taktgeber der Hauptuhr leitete. Der andere hing mit dem Einfluss eines Oszillators zusammen, der benutzt wird, um die Zeitmarken für die GPS-Synchronisierung zu setzen.
Mitte März bestätigten dann Experimente am Icarus-Detektor, einem weiteren Experiment am italienischen Gran Sasso-Labor, dass sich bei einer erneuten Messung der Flugzeit von Neutrinos vom CERN nach Gran Sasso die Neutrinos tatsächlich nicht schneller als Licht bewegten.
„Die Anzeichen scheinen in die Richtung zu weisen, dass die OPERA Ergebnisse ein
Artefakt der Messungen sind,“ sagte im März CERNs Forschungsdirektor Sergio Bertolucci, „aber es ist wichtig, gründlich zu sein, und die Gran Sasso Experimente
BOREXINO, ICARUS, LVD und OPERA werden im Mai neue Messungen mit gepulsten Strahlen vom CERN durchfĂĽhren, um uns die endgĂĽltige Entscheidung zu bringen. ….“
Die ernüchternden neuen Erkenntnisse brachten den Sprecher des OPERA-Teams Antonio Ereditato dazu, am 29. März von seinem Posten zurückzutreten.
Nur einen Tag später folgte ihm der Projektkoordinator Dario Autiero. Beide hatten sich zu Beginn der Geschichte dafür ausgesprochen, die Messungen der Neutrinogeschwindigkeit durch das OPERA-Experiment mit dem Fachartikel im Preprint-Server arxiv publik zu machen, offenbar zu schnell, wie sich jetzt rausstellte.
Wie angekündigt wurden im Mai weitere Messungen der Flugzeit von Neutrinos vom CERN zum Gran Sasso Labor mit allen vier dort ansässigen Experimenten BOREXINO, ICARUS, LVD und OPERA durchgeführt, die alle zum gleichen Ergebnis führten.
CERNs Forschungsdirektor Sergio Bertolucci präsentierte die Ergebnisse dieser Messungen
am 8. Juni auf der 25. Internationalen Konferenz ĂĽber Neutrinophysik und Astrophysik im japanischen Kyoto.
Alle vier Experimente hatten eine Neutrino-Flugzeit gemessen, die mit dem Geschwindigkeitslimit der Lichtgeschwindigkeit vereinbar ist und damit unterhalb der Lichtgeschwindigkeit lag.
Jetzt ist es amtlich.:
Auch Neutrinos halten sich an das kosmische Geschwindigkeitslimit.
Das Ergebnis, das fĂĽr einige Physiker wohl durchaus blamable ZĂĽge aufweist, interpretierte Sergio Bertolucci wie folgt.:
“Obwohl das Ergebnis nicht so aufregend ist, wie es vielleicht einige gerne gehabt hätten, ist es doch genau das, was wir im Grunde genommen alle erwartet haben… Diese Geschichte hat die Vorstellungskraft der Ă–ffentlichkeit angeregt, und hat den Menschen die Möglichkeit gegeben, die wissenschaftliche Herangehensweise direkt in Aktion zu sehen – ein unerwartetes Ergebnis wird einer genauen PrĂĽfung unterzogen, grĂĽndlich untersucht und schlieĂźlich aufgeklärt, teils durch die Zusammenarbeit von ansonsten konkurrierenden Experimenten. Das ist wissenschaftlicher Fortschritt.”
[Blogbeitrag von A. Ewers]
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