Weltuntergang durch den LHC ?
Ein Mini Schwarzes Loch am LHC müsste aber sehr schnell, in weniger als 10-24 s nämlich, andere Materie verschlingen, um seine Lebenszeit verlängern zu können. Selbst bei Lichtgeschwindigkeit entsprechen 10-24 s einer Strecke von ca. 10-16 m, was der Hälfte eines Protonenradius entspricht. (Die speziellrelativistische Zeitdilatation kommt hier nicht zum Tragen, da das Mini Schwarze Loch im Laborsystem ruht.) Daher ist es nahezu ausgeschlossen, dass ein Mini Schwarzes Loch genug “zu Essen” bekommt, bevor es wieder verschwinden muss.
Interessanterweise ist aber gerade das Verschwinden bzw. das explosionsartige Verdampfen eines Mini Schwarzen Lochs ein weitaus spektakulärerer Vorgang, als seine Existenz selbst es war. Verdampft ein Mini Schwarzes Loch oder, um es in der Sprache der Teilchenphysik zu formulieren, zerfällt ein Schwarzes Loch, entstehen Zerfallsprodukte.
Bei jedem Beschleunigerexperiment und so auch am LHC sind es ja die Zerfallsprodukte, die von den Detektoren aufgefangen bzw. gemessen werden.
Für jede Reaktion sagt die Theorie der Teilchenphysik basierend auf dem Standard-Modell der Materie charakteristische Zerfallsprodukte voraus, die wiederum Teilchen des Standard-Modells sind. So lassen sich also aus der Untersuchung der Zerfallsprodukte im Detektor Informationen darüber gewinnen, was zuvor beim Aufeinandertreffen der Teilchen geschehen ist.
Ein Mini Schwarzes Loch hat aber die Eigenschaft, so zu zerfallen, dass die Zerfallsprodukte kaum noch Aufschluss darüber zulassen, welche Mechanismen welches Teilchen in eine bestimmte Flugrichtung erzeugt haben.
Vielmehr ließe sich nur noch mit Bestimmtheit sagen, dass ein Mini Schwarzes Loch zerfallen wäre. Vom Standpunkt des Teilchenphysikers wäre die Erzeugung eines Mini Schwarzen Lochs also Unglück und Segen zugleich.
Zum einen wäre die Erzeugung ein Nachteil, denn anstatt neue detaillierte Erkenntnisse darüber zu erhalten, wie die Theorie des Standard-Modells bei diesen Energien funktioniert, würde, da ab einer bestimmten Kollisionsenergie Schwarze Löcher entstehen und wieder zerfallen, so ein tieferer Einblick verwehrt bleiben.
Zum anderen wäre der Nachweis eines Mini Schwarzen Lochs am LHC bei TeV-Energien ein starker Hinweis auf eine Multidimensionalität unserer Welt, so wie sie etwa die Stringtheorie fordert.
Wenn der LHC die erste Maschine mit genügend hoher Energie ist, mit welcher sich auf der Erde vielleicht zum ersten Mal Mini Schwarze Löcher erzeugen liessen, so würde dies immer noch auf der Basis des in der Natur ständig vorkommenden Prozesses der Hadron-Hadron-Kollision stattfinden. Und hieraus resultiert auch das gewichtigste Argument, welches gegen ein Weltuntergangsszenario verursacht durch mögliche Schwarze Löcher am LHC spricht.
Die in der Natur vorkommenden Hadron-Hadron-Kollisionen finden bei Energien statt, die bis zu 108 mal und noch höher sind als im LHC erreichbaren Energien. Höchstenergetische Protonen aus den Tiefen des Weltalls, sog. kosmische Strahlung, treffen auf Nukleonen bzw. Protonen in den höheren Schichten der Erdatmosphäre.
Bei diesen Kollisionen entstehen Zerfallsprodukte, die als Teilchenschauer Richtung Erdoberfläche rasen. Zur Zeit werden solche Teilchenschauer, oft auch Luftschauer genannt, mit mehreren groß angelegten Experimenten gemessen.
Bei keiner dieser Messungen hat sich irgendeine Evidenz für die Erzeugung und den Zerfall eines Mini Schwarzen Lochs ergeben. Doch selbst wenn, wären diese Schwarzen Löcher offenbar völlig harmlos, denn in den Milliarden von Jahren, in welchen höchstenergetische Strahlung auf die Erde oder auch auf jeden anderen Körper in unserem Sonnensystem eingewirkt hat, ist nicht ein Schwarzes Loch erzeugt worden.