Fusionsreaktor ITER bekommt Konkurrenz
Die Kernfusion als Energiequelle auf Erden zu nutzen, ist das Ziel vieler Physiker und Forscher. Bereits in drei bis fünf Jahren, so die Meinung des Initiators eines neuen Projekts, Bruno Coppi, könnte in Russland ein Kernfusionsreaktor in Betrieb gehen, an dem mehr als zehn Jahre vor dem größten geplanten Fusionsreaktor ITER, der in Südfrankreich entsteht, das erste Plasma gezündet werden könnte.
Italien und Russland planen den Bau dieses neuen Kernfusionsexperiments, IGNITOR genannt. Nach vorausgegangenen Gesprächen zwischen Italiens Premierminister Silvio Berlusconi und dem russischen Premierminister Vladimir Putin unterzeichneten Minister beider Länder letzten Montag ein diesbezügliches Memorandum.
Die Idee zum Bau dieses Reaktors stammt von dem italienischen Plasmaphysiker Bruno Coppi vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, USA. Er brachte die Idee bereits in den 1970er Jahren auf, als er Experimente im Rahmen des Alcator Fusionsforschungsprogramms am MIT durchführte, das auch von ihm initiiert worden war.
Alcator C-Mod, wie der derzeitige Reaktor heißt, ist der größte Fusionsreaktor an einer Universität in der Welt. Seit den ersten Experimenten am MIT hat Coppi – dort immer noch Professor – mit einer kleinen Gruppe von Mitarbeitern in den USA und Italien seine Vision zu Papier gebracht und weiterentwickelt. Sogar die ersten Prototyp-Bauteile wurden bereits gebaut. Das Projekt wurde von der italienischen Regierung unterstützt, was Italien bisher etwa 20 Millionen Euro gekostet hat.
Das Konzept des neuen Reaktors soll sich die jahrzehntelange Erfahrung in der Forschung an den Alcator Maschinen zunutze machen.
Zusammen mit der italienischen Nationalen Agentur für neue Technologien, Energie und Umwelt (ENEA) und dem Präsidenten des Curchatov Atomic Energy Institute aus Moskau, Evgeny Velikhov, will Coppi die endgültigen Pläne zum Bau des Reaktors fertigstellen, der in Troitsk bei Moskau gebaut werden soll.
Gemäß einer Schätzung des ENEA von 2003 sind für den Bau des IGNITOR Reaktors weitere 226 Millionen Euro vonnöten.
Es hat lange gedauert, bis Coppi seine Vision in die Tat umsetzen konnte. Jetzt will er mit dem Bau des Reaktors die generelle Machbarkeit von Plasmazündungen demonstrieren und unter Beweis stellen. Dies soll außerdem viel billiger und früher als im internationalen Versuchsreaktor ITER geschehen, in dem erst 2026 das erste Plasma gezündet wird.
Das Kernstück des IGNITOR-Reaktors, wie auch des ITER-Reaktors, wird ein sog. Tokamak sein, der die Tatsache ausnutzt, dass die Teilchen, aus denen das zu entzündende Plasma besteht, geladen sind.
Ein Fusionsplasma besteht aus positiv geladenen Atomkernen – in der Regel Kernen der Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium – und freien Elektronen. Geladene Teilchen werden durch ein Magnetfeld abgelenkt und können so eingefangen oder eingeschlossen werden. Denn um ein heißes Plasma von mehr als 100 Millionen Grad zünden zu können, muss man es über einen ausreichend langen Zeitraum in einem begrenzten Volumen einschließen. Dies stellt allerdings ein schwieriges Unterfangen dar.
Die Wände des Gefäßes können sich bei den derart hohen Temperaturen auflösen, oder das Plasma würde sich zu schnell wieder abkühlen, was kontraproduktiv ist.
Damit dies nicht geschieht, muss das Plasma von den Wänden des Behältnisses, in dem es sich befindet, ferngehalten werden. Dies geschieht durch sehr starke Magnetfelder in den Tokamaks.
Tokamaks besitzen eine Torusform. Der magnetische Käfig entsteht hier aus der Überlagerung eines ringförmigen Feldes, das durch äußere elektromagnetische Spulen erzeugt wird, mit einem zweiten magnetischen Feld, das von einem Strom im Plasma generiert wird. Auch der Alcator C-Mod am MIT, der als wissenschaftliche Grundlage für den neuen IGNITOR-Reaktor gilt, gehört zu der Klasse der Tokamaks.
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